OE-Kommentar (15. Dezember 2010) über die Odenwälder Laufveranstaltungen 2010:

Ausgebremste Laufszene



Es setzt weder die Einübung komplizierter Techniken noch das Auftrainieren riesiger Muskelpakete voraus, bedarf weder der schwierigen Festlegung auf bestimmte Gruppenzeiten noch einer aufwendigen Ausrüstung - Laufen kann so ziemlich jeder. Und für alle gemacht ist der Odenwaldcup des Leichtathletikkreises, auch weil selbst schwächere Läufer ihre Leistungen erfasst, widergespiegelt und damit gebührend respektiert sehen.

Der Sprung zu einem Breitensport-Ereignis gelingt der Laufpokalserie dennoch immer weniger - an dieser Erkenntnis führt angesichts des weiteren Rückgangs der Starterzahlen kein Weg vorbei. Ausgebremst sehen sich der Leichtathletikkreis und seine als Veranstalter agierenden Vereine hier sicher auch von den Standproblemen, die der Wettkampf-Laufsport bundesweit hat: Gerade bei den Männern fehlt es an Spitzenathleten, die Medieninteresse fördern und Vorbildfunktion erfüllen können. Das dämpft die Neigung aller, mit dem Joggen zu beginnen, die der Jogger, sich zum Läufer weiter zu entwickeln, und die der Läufer, sich in Wettkämpfen zu versuchen.



Z
ugleich stehen vor jedem dieser Stadien läuferischer Ambitionen mehr Hürden als noch vor einigen Jahren: Die wiederum gestiegene berufliche Belastung der potenziellen Athleten, dazu gewachsene Anfahrtsspannen zum Arbeitsplatz, auch höherer Anspruch der Familien - da wird die Zeit für den Sport knapp, selbst wenn es sich um eine fast immer und überall ausübbare Variante handelt.

In vielen Fällen heißt das fast zwangsläufig eingeschränktes Training, in der Folge oft weniger Wettkampfreife - oder es bedeutet einfach den Verzicht auf das eine oder andere Rennen, der hie und da sogar finanziell mitbegründet sein mag, trotz erfreulich niedriger Teilnahmekosten. Kein Preis zu hoch ist dagegen oft jenen, die sich vom um sich greifende Drang nach immer neuen Kicks erfassen lassen. Ein Quintathlon oder ein 1000-Meter-Bergaufsprint muss es für sie schon sein an Stelle eines herkömmlichen Volkslaufs. Ob Selbstinszenierung oder erzwungene Beschränkung - die Stadt-, Wald- und Landschaftsläufe trifft beides mit ein und demselben Effekt: In dem Maß, wie ihre sichere Klientel schrumpft, nimmt die Konkurrenz unter den Veranstaltungen zu. Das kann man als Organisator ignorieren, mit einem Schulterzucken hin- oder zum Anlass für Reaktionen nehmen, für die sich im Kreis und der Nachbarschaft allemal Vorläufer finden.



I
n die richtige Spur führt beispielsweise allemal ein Marketing oberhalb des Din-A-5-Faltblatt-Formats: mit einer ansprechenden und informativen Werbebroschüre, einem ebensolchen Internetauftritt, Ergebnis-, Bericht- und kleinem Bilderdienst, vor allem mit der Beteiligung an vielen Läuferportalen und -netzwerken. Freilich funktioniert Werbung auf Dauer nur, wenn die Qualität des Produkts stimmt. Gut markierte und gepflegte Strecken sowie eine ausreichende Versorgung unterwegs bilden hier die Grundvoraussetzung; auf die Überholspur führt das Bemühen, das Rennen zum Erlebnis zu machen: mit einem attraktiven und kommentierten Zielbereich, einer mitfiebernden Bevölkerung, einer Anerkennungsgabe für jederfrau und -mann, einem ansprechenden Läuferfest - und einer anständigen Dusch- und Umkleidemöglichkeit.



B
eine machen ließe sich schließlich zumindest dem einen oder anderen Rennen auch über eine neue Strecke; selbst im Odenwald ist nicht jeder Lauf naturgegeben hügelig, und flache Kurse schrecken Neulinge und Bestzeiten-Aspiranten weniger ab als Bergrouten. Ob und welche Schritte sie unternehmen, bleibt den Vereinen und dem Leichtatheltikkreis selbstverständlich freigestellt. Wie die Zahlen nicht erst seit 2010 ausweisen, täten sie aber gut daran, sich ein Stück weit zu bewegen. Denn sonst drohen die von außen einwirkenden Bremseffekte die heimische Volkslauf-Szene und den Odenwaldcup zusammenzustauchen - und das wäre schade, gerade für etwas, das wie für alle gemacht ist.



15. Dezember 2010 |Von Gerhard Grünewald
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